Lutherstube Korbach

Die sogenannte Lutherstube war ein Fachwerkbau in der Nikolaistraße in der Altstadt von Korbach. Als Baujahr gilt das Jahr 1577. Im Jahr 1965 wurde das Gebäude abgetragen. [1]

Erscheinungsbild und Geschichte

Die sog. Lutherstube bildete den Mittelteil des Hanxledeschen Hofes. Es handelt sich um den kleinen Fachwerkbau in der Bildmitte.
Bildquelle: Foto Röhr / Herr Bliesener. Anklicken für größere Version.

Die Lutherstube war ein vorkragendes Fachwerkgeschoß, das auf einem steinernen Erdgeschoß mit dem sogenannten Leusmann-Tor ruhte. Das Haus bildete den Mittelbau zwischen dem östlichen und westlichen Flügel des Hanxledeschen Hofes (Kirchstraße 7). Als Baujahr wird 1577 vermutet. Diese Ziffern sind in den Torbogen im Erdgeschoß um die Wappen des Bürgermeisters Ulrich Leusmann und seiner Ehefrau Anna von Geismar eingraviert. Es steht jedoch nicht fest, daß die Jahreszahl auf dem Torbogen zugleich auf das Baujahr des gesamten Gebäudes hinweist. Ebenso wenig ist sicher, daß Ulrich Leusmann tatsächlich Eigentümer des Gutshofes war (siehe die Ausführungen zu Kirchstraße 7). 1966 wurde der Hanxledesche Hof einschließlich der Lutherstube abgetragen, um Platz für den Neubau des Bürgerhauses zu schaffen. Der Leusmannsche Torbogen wurde wiederverwendet und etwa an alter Stelle zwischen den beiden Flügeln des Bürgerhauses eingebaut. Sollte das Baujahr 1577 zutreffen, hätte es sich zum Zeitpunkt seines Abrisses um das älteste Wohngebäude Korbachs gehandelt. Zweifel an der Ursprünglichkeit des Fachwerkgeschosses mit der Lutherstube sind jedoch deshalb angezeigt, weil der Dreißigjährige Krieg und der Stadtbrand von 1664 in diesem Bereich große Schäden verursacht haben. Bei dem Stadtbrand wurde die gesamte Kirchstraße, einschließlich des heutigen Grundstücks Kirchstraße 7 und des darunter liegenden Pfarrhauses (Nikolaistraße 1) ein Opfer der Flammen. Es erscheint daher nicht wahrscheinlich, daß das zwischen diesen Brandstellen liegende Fachwerkgeschoß der Lutherstube das Feuer unbeschädigt überstanden hat.

Im Jahr 2011 erfolgte anläßlich des Umbaus des Bürgerhauses eine erneute Versetzung des Torbogens. Die Steine wurden gereinigt und das Tor in den neugeschaffenen Mittelbau eingesetzt. Es umschließt heute ein Panoramafenster und bildet den neuen Eingangsbereich des Bürgerhauses.

Die Lutherstube erhielt ihren Namen nach einer alten Überlieferung, wonach Dr. Martin Luther im Jahre 1529 auf der Rückreise von Marburg, wo er Anfang Oktober mit Zwingli, Melanchthon und anderen Reformatoren ein Religionsgespräch geführt hatte, hier gewohnt habe. Gegen den Wahrheitsgehalt der Geschichte wird vorgebracht, das Gebäude sei erst 1577 errichtet worden. Dieser Einwand setzt jedoch die Richtigkeit der These voraus, daß die Jahreszahl auf dem Torbogen dem Errichtungsdatum des gesamten Gebäudes entspricht. Dieser Schluß ist nicht zwingend, da sich die Jahreszahl lediglich auf den Einbau des Tores oder den Einzug der Eheleute Leusmann beziehen könnte. Ferner könnte Luther in einem Vorgängerbau genächtigt haben. Schriftliche Belege über einen Aufenthalt Luthers in Korbach gibt es indes nicht. Da Luther jedoch Anfang Oktober 1529 von Marburg nach Schleiz im Vogtland abgereist ist, dürfte ein nördlicher Umweg über Korbach sehr unwahrscheinlich sein. [2] In dem gleichen Haus soll auch Dr. Johann Georg Faust im Jahr 1535 anläßlich seines Aufenthaltes in Korbach gewohnt haben. Über den Besuch des Dr. Faust hat der Bürgermeister von Nieder-Wildungen, Daniel Prasser, in seiner "Chronicon Waldeccense" berichtet. Danach habe sich Dr. Faust zur Zeit der Belagerung Münsters durch den Bischof Franz von Waldeck - von dessen Nachkommen später viele in Korbach lebten - in Korbach aufgehalten und die Einnahme Münsters durch den Bischof für die kommende Nacht (24./25. Juni 1535) zutreffend vorausgesagt. [3]

Daniel Prasser berichtet insoweit: [4]

"[...] quo tempore insignis ille Nigromanticus D. Faustus eo ipso die Corbachii diuertens, praedixit, fore nimirum, ut eadem nocte urbs Münster ab Episcopo expugnetur."

(Zu dieser Zeit sagte jener bekannte Schwarzkünstler Dr. Faustus, der an eben jenem Tage in Korbach abstieg, voraus, daß in jener Nacht die Stadt Münster durch den Bischof eingenommen werde.)

Bilder

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Eine Aufnahme von Lilo Raaf oder Hansjürgen Gottschalk, in: Korbach - Eine Stadt in Bildern, Magistrat der Stadt Korbach (Hrsg.) 1974, zeigt den Zustand des Leusmann-Tores um 1974 nach dem Neubau des Bürgerhauses (1968) und vor dessen Umbau (2011).

Anmerkungen

[1] Zur Geschichte der Lutherstube vgl. Hermann THOMAS/Karl WILKE/Lothar GERLACH, Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 3, Kirchstrasse - Unterstrasse - Nikolaistrasse - Oberstrasse - In der Pforte - Brauberg - Ketzerbach - Ascher - Mauergasse, 2. Auflage, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 2003, S. 30-31 (Kirchstraße 7).
[2] Vgl. Heinz MERL, Reformator hat die Hansestadt nicht besucht - Die Anekdote über die Lutherstube im Korbacher Hof Hanxleden, in: Mein Waldeck, Beilage der Waldeckischen Landeszeitung für Heimatfreunde, Ausgabe Nr. 16/2019 vom 2. August 2019. MERL analysiert die Reisewege Luthers nach und aus Marburg anhand der schriftlichen Quellenlage.
[3] Wolfgang MEDDING, Korbach - Die Geschichte einer deutschen Stadt, Stadt Korbach (Hrsg.), 2. Auflage 1980, S. 140.
[4] Daniel PRASSER (ohne Namensnennung), Anonymi Chronicon Waldeccense, in: Simon Friedrich HAHN, Collectio Monumentorum..., Buch I, Braunschweig 1724, S. 844; auch abgedruckt bei Anton KIPPENBERG, Neue Faustsplitter, in: Jahrbuch der Sammlung Kippenberg, Erster Band 1921, S. 321-330 [322]; vgl. auch E.A. BUCCHIANERI, Faust: My Soul be damned for the World, Volume I, Bloomington 2008, S. 56-57; Philip Mason PALMER/Robert Pattison MORE, The Sources of the Faust Tradition - From Simon Magus to Lessing, New York 1965, S. 91; Friedrich KLUGE, Vom geschichtlichen Dr. Faust, aus: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 1896, Nr. 9, abgedruckt in: Bunte Blätter - Kulturgeschichtliche Vorträge und Aufsätze, Freiburg 1908, S. 1-27 [10]; Hans HENNING, Zu einem von Kippenberg mitgeteilten Faustsplitter, in: Weimarer Beiträge - Zeitschrift für deutsche Literaturgeschichte, Berlin 1957, S. 512-515.