Tempel (Korbach)

Der obere "Tempel" im Oktober 2014.
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Die Straße Tempel, früher "Im Tempel", ist eine Straße in der Altstadt von Korbach.

Hermann Thomas beschrieb 1961 dieses Gebiet wie folgt: [1]

"[Unter dem 'Tempel'] verstehen wir den Teil der Stadt, der sich nördlich des Kilianshügels bis zu der früheren inneren Stadtmauer, d.h., bis zu den Häusern der Professor-Kümmell-Straße und Klosterstraße hinzieht und im Osten von der Tränkestraße und im Westen von der Stechebahn begrenzt wird. In diesem von der Stechebahn bis zur Tränkestraße stark hängigen Stadtteil liegen die Kiliansstraße, der 'Tempel', die Rathausgasse und der 'Paß'. [...] Daneben laufen noch kreuz und quer mehrere schmale Verbindungswege, Fußpfade, durch den Tempel und verbinden die Hauptgassen miteinander.[...] Das Gebiet des Tempels gehört zu den ältesten Teilen der Stadt. Die zahlreichen Gassen, Wege und Pfade verlaufen in ihrer Unregelmäßigkeit wohl heute noch genau so, wie sie bei der Besiedelung vor vielen hundert Jahren entstanden sind. Wir müssen uns vorstellen, daß dieser Stadtteil bei seiner Besiedlung im 10. und 11. Jahrhundert von vielen eng aneinander grenzenden Häusern bebaut worden ist, die hier in dem von der Stadtmauer begrenzten Stadtteil Schutz fanden. Die bauliche Auflockerung des Tempels ist eine Folge der Pest und Seuchen, der Kriege und Brände, die im 16. und 17. Jahrhundert die Einwohnerschaft stark dezimiert haben und in deren Folge auch der Bestand an Wohn- und Wirtschaftsgebäuden stark vermindert wurde [...] Zu den Stadtteilen, die wohl am stärksten unter diesen Katastrophen gelitten haben und deren Folgen man heute noch erkennen kann, gehört der Tempel. Denn es ist das Bemerkenswerte und Eigenartige dieses Gebietes, daß kein Stadtteil innerhalb der Stadtmauern baulich so aufgelockert ist wie gerade der Tempel, das Zentrum der Stadt. Zahlreiche Obst- und Gemüsegärten, zum Teil umfriedet mit den für Korbach typischen Fachwerkmauern mit Bruchsteinen, und freie unbebaute Plätze unterbrechen die Häuserreihen. [...] Während in anderen Städten das Zentrum auch der Mittelpunkt des Geschäftslebens und des Verkehrs ist, liegt der Tempel inmitten der Stadt still und nahezu unbeachtet da wie eh und je. Die Fachwerkhäuser stehen nahezu unverändert da wie sie vor hundert und mehr Jahren erbaut worden sind. Im ganzen Gebiet des Tempels gibt es kein einziges Haus mit einem Schaufenster. Eine sehr bescheidene Straßenbeleuchtung zeigt bei der Dunkelheit nur dürftig den Verlauf der Gassen und Wege. Die Kanalisation ist hier mitten in der Stadt heute noch nicht restlos durchgeführt. Die Landwirte, die hier früher ansässig waren, sind längst ausgesiedelt. Es gibt im ganzen Stadtgebiet wohl kein ruhigeres und stilleres Stadtviertel als den Tempel. Er ist heute noch der Tummelplatz für die Kinder und die Jugend. Nirgends in der Stadt kann man besser und ungestörter Schlittenfahren als in den steilen Gassen des Tempels. Hier im Tempel gibt es noch kein modernes Verkehrsproblem. Der Verkehrsstrom fließt in den ihn begrenzenden Straßenzügen vorbei. Nur selten rollt mal ein Kraftwagen durch die engen Gassen und stockert ein Trecker durch die schmalen Wege. Wohl nirgends in der Stadt hat sich das alte beschauliche Korbach so unverfälscht erhalten wie im Tempel."

Auch heute, fast 60 Jahre später, hat sich an diesem Befund wenig geändert. Allerdings wurden die meisten Gebäude umfassend saniert und die Gassen mit einem ansprechenden Pflaster versehen, der den Altstadtcharakter unterstreicht. Wie die übrige Altstadt wird aber auch der Tempel negativ durch den modernen Rathausanbau beeinflußt, der allenthalben die kleinen Altstadthäuser überragt.

Der Hauptweg des Tempelviertels, der sogenannte "Lange Tempel", verbindet die Tränkestraße mit der oberen Stechbahn. Er beginnt auf ca. 373 m ü. NHN zwischen den Häusern Tränkestraße Nr. 4 und Nr. 6 und mündet auf etwa 382 m ü. NHN zwischen den Häusern Nr. 5 und Nr. 7 in die Stechbahn. Die Länge der Straße beträgt rund 190 Meter. Die heutige Kilianstraße, die erst Anfang des 20. Jahrhunderts ihren Namen erhielt, wurde früher als der "Kleine Tempel" bezeichnet.[2]

Geschichte

Das Gebiet rund um die Kilianskirche, mithin auch der "Tempel", gehört zu den ältesten Siedlungsgebieten der Stadt, die bereits ab dem 10. Jahrhundert bebaut wurden. Infolge der Zerstörungen des 17. Jahrhunderts hat sich das hier gelegene eigentliche Stadtzentrum jedoch zu einem abgeschiebenen reinen Wohnquartier mit sehr aufgelockerter Bebauung und zahlreichen Baulücken entwickelt. Bedeutung und Herkunft des Namens sind nicht eindeutig geklärt. Bei MEDDING (wie Anm. 2) heißt es:

"Nicht ohne weiteres verständlich ist auch die Straßenbezeichnung Tempel. Als solche wurde gleichfalls nicht eine einzelne Straße, sondern ein ganzes Stadtviertel am Nordabhang des Kilianshügels bezeichnet, das etwa das Dreieck zwischen Stechbahn, Kilianskirche, Tränkestraße und ehemaliger Altstadtmauer bildete. So hieß die Rathausstraße früher einmal der lange und die Kilianstraße der kleine Tempel. Eine Niederlassung der Tempelherren, an die man gedacht hat, hat es in Korbach niemals gegeben. Der Ausdruck Tempel für die Hauptkirche der Stadt kommt zwar gelegentlich vor, und die Kirchenvorsteher von St. Kilian werden im Mittelalter meist Templer oder Templierer genannt. Offebar aber handelt es sich hier um eine Verhochdeutschung des früher in Waldeck gebräuchlichen Wortes Timpen oder Timpel für ein dreieckiges Land- oder Grundstück, eine Bezeichnung, die ähnlich und mit gleicher Bedeutung auch am Niederrhein oder in anderen Gegenden Niederdeutschlands vorkommt. So findet auch diese Bezeichnung ihre ganz natürliche Erklärung."

Ob dieser Deutungsversuch richtig ist, muß dahingestellt bleiben.[3] Auf die früher hier stehende Synagoge (Tempel 5, s.u.) kann sich die Bezeichnung ebenfalls nicht beziehen, da diese erst 1895 errichtet wurde, die Bezeichnung "Tempel" aber wesentlich älter ist.

Häuser

Das Viertel war vor dem Dreißigjährigen Krieg, dem Stadtbrand von 1664 sowie dem Stechbahnbrand von 1885 wesentlich dichter bebaut. Heute ist der Tempel von vielen Freiflächen geprägt und weist für die Größe des Quartiers nur noch wenige Häuser auf.

Tempel 1
Tempel 2
Tempel 3
Tempel 4
Tempel 5
Tempel 6
Tempel 8
Tempel 10
Tempel 12
Tempel 14
Tempel 16
Tempel 16a
Tempel 16b
Tempel 16c

Bilder

Anmerkungen

[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 8, Rathausgasse - Im Paß - Im Tempel - Kilianstraße, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1961, S. 3-4.
[2] Wolfgang MEDDING, Korbach - Die Geschichte einer deutschen Stadt, 2. Auflage, Korbach 1980, S. 248-249.
[3] THOMAS (wie Anm. 1), S. 3.