Violinenstraße 3 (Korbach) - Das Steinhaus

Das Steinhaus in der Violinenstraße im Juni 2015.
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Das Haus 3 in der Violinenstraße ist ein im 14. Jahrhundertes errichtetes steinernes Speicherhaus in der Altstadt von Korbach. [1] Es ist das größte der vier erhalten gebliebenen Steinkammern. Nach ihm ist die benachbarte Straße Am Steinhaus benannt.

Geschichte

Wie die übrigen Steinkammern in Korbach (Kirchplatz 2, Enser Straße 7 - Spukhaus, Kirchstraße 18a) ist es im 14. Jahrhundert wahrscheinlich als feuerfestes Speicherhaus für die Waren der Kaufleute errichtet worden und stand somit vielleicht zunächst im Eigentum der Stadt oder der Gilden. Zum Teil wird angenommen, es sei ein Wohnhaus gewesen und habe einer Patrizier- oder Adelsfamilie gehört. [2] Die an der Südwestseite über die gesamte Mauerhöhe herausragenden Steine deuten darauf hin, daß das Haus ursprünglich mit der inneren Stadtmauer verbunden gewesen sein könnte.

Ab Mitte des 17. Jahrhunderts bis 1927 war die Steinkammer jeweils in Besitz der Eigentümer des Nachbarhauses Enser Straße 4 (siehe dort). [3] Jedoch wird in einem Bescheid der Gräflich Waldeckischen Landkanzlei vom 12. November 1680 "der steinerne Gebau und darunter befindliche Keller, samt der Scheur nach der Enser Straße, zusamt dem Platz vor der Scheur bis vor den Fahrweg", ferner "das ausgesteinigte alte und neue Pflaster bis auf die Halbscheid des Brunnens..." nahe der Steinkammer, einschließlich eines Gartens, dem Freiherrn von Neerse im Wege der Zwangsvollstreckung gegen die Witwe und die Erben des Gideon Linnekogel zugewiesen. [4] Im Hinblick auf die Erwähnung eines Brunnens, einer Scheune und eines Gartens dürfte sich dieser Bescheid auf die Steinkammer Violinenstraße 3 und nicht auf das "Spukhaus" (Enser Straße 7) beziehen. Die Familie Linnekogel kommt schon im 16. Jahrhundert in Korbach vor. [5] Gideon Linnekogel soll jedoch aus Rhoden stammen und Leutnant sowie Verwalter des Gutes Nordenbeck gewesen sein. [6] Die Familie des Gläubigers Freiherr von Viermund zu Neersen hatte ihre Wurzeln ebenfalls auf dem Rittergut derer von Viermünden in Nordenbeck, welches der Großvater des Gläubigers, Johann von Viermund, der während des Dreißigjährigen Krieges mit seinem Regiment 1623 von 1625 in Korbach Quartier genommen hatte, während dieser Zeit besetzt hielt und versuchte, den alten Familienbesitz zurückzuerlangen. Linnekogels Tochter Maria Juliane ist allerdings um 1647 in Korbach geboren, [7] weshalb anzunehmen ist, daß Gideon Linnekogel ebenfalls in Korbach wohnhaft war. Maria Juliane Linnekogel war verheiratet mit dem Landkanzleirat Johann Speiermann. [8] Deren Sohn Justus Speiermann war ab 1707 Eigentümer der Häuser Enser Straße 4 (siehe dort) und Violinenstraße 3 war. Offenbar konnte die Steinkammer für die Familie zurückgewonnen werden.

1926 erwarb es die Stadt Korbach von der damaligen Besitzerin Minna Brewitt, geborene Steinrück. [9]

Nach einigen Umbauten diente das Gebäude von 1927 bis 1954 als Jugendherberge, die 1954 in das Haus Lengefelder Straße 16 und 1985 in das ehemalige Hospital, Enser Straße 9, verlegt wurde.

Nach gründlicher Sanierung übernahm 2005 die Schützengilde 1377 e.V. das Gebäude als Vereinshaus. [10]

Erscheinungsbild

Im Jahr 1939 wurde das Haus wie folgt beschrieben: [11]

"Steinhaus in der Violinenstraße (Nr. 3, Jugendherberge). Dreigeschossiger Kalksteinbau aus steinsichtig verputztem Bruchstein mit Quaderkanten, auf rechteckigem Grundriß, Giebel zur Straße. Die rechteckigen Fenster im Obergeschoß, bzw. im rückwärtigen Giebel im Erdgeschoß zweiteilig mit gekehltem Gewände. Die oberen Fenster lukenartig gefast. Im Straßengiebel im Erdgeschoß jüngere Fenster in gefastem Sandsteingewände. Gedrehte Gitterstäbe mit Ringverbindung. Links daneben kleine vermauerte Spitzbogenöffnung. Ihr entspricht im Inneren Nische mit gekehltem Schräggewände. An südlicher Langseite spitzbogige Tür mit gekehlter Gewändeschräge. In Obergeschoßhöhe Spitzbogentüre, einst vermutlich zu einem Altan oder einem Verbindungsgang führend. Daneben Mauerverzahnung. Ebensolche am Straßengiebel rechts. Vierstufige Treppengiebel, über Kehlkonsole seitlich auskragend. Die unteren Stufen an der Straßenseite von Vierpaß durchbrochen. Traufkehle. Satteldach im Süden mit Pfannen, im Norden mit Falzziegeln gedeckt.
Inneres. Im Erdgeschoß Kamin mit gefasten Wangen und Abschlußprofil aus Viertelwulst und Platte. Die Fenster, z.T. mit gekehltem Gewände, in betrebarer, flachbogiger Schrägnische. Balkendecken. Keller mit rundbogigem Tonnengewölbe. Zu ihm jüngerer Zugang von außen durch einen mit rundbogiger Tonne überwölbten Schacht; innen schlichtes rundbogiges Gewände. Daneben führt die alte Mauertreppe zum Erdgeschoß. Ihr oberer Ausgang vermauert."

Ob und inwieweit die Vierpaßöffnungen in den zur Violinenstraße gelegenen Giebelstufen historisch sind, ist fraglich. Auf einer Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Aufnahme des Hauses erscheinen alle sechs Giebelstufen an dem zur Violinenstraße gelegenen Südwestgiebel ohne Vierpaßöffnungen und sind ebenso gestaltet wie die Giebelstufen des Nordostgiebels. In einer 1923 erschienenen Publikation heißt es hingegen: "Am [Stein-] Haus in der Violienstraße zeigen alle Stufen des nach der Straße gerichteten Giebels gotische Vierpaßöffnungen." [12] Auf der Aufnahme in der gleichen Publikation findet sich diese Darstellung jedoch nicht bestätigt. Denn dort fehlt ein Vierpaß auf der von der Violinenstraße aus gesehen linken Giebelseite auf der dritten Giebelstufe von unten. [13] Auf der rechten Giebelseite ist die Vierpaßöffnung auf der untersten Giebelstufe halb weggebrochen. In einem Stadtführer aus dem Jahr 1927/28 findet sich hingegen ein Fotografie von Wilhelm Stremme, in der sich das Gebäude als neue Jugendherberge frisch saniert präsentiert und alle Giebelstufen der linken Giebelseite - von der Violinenstraße aus gesehen - eine Vierpaßöffnung aufweisen. [14] Der heutige Zustand dürfte daher mit dem Umbau des Hauses zur Jugendherberge im Jahr 1927 hergestellt worden sein. Siehe die Fotos unten mit Erläuterungen.

Bilder


Anmerkungen

[1] Hermann THOMAS (Bearb.), Die Häuser in Alt-Korbach und ihre Besitzer, Heft 5, Stechebahn - Violinenstraße - Heumarkt - Am Steinhaus, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 1959, S. 118-119. Alle folgenden Daten, soweit nicht anders vermerkt, nach THOMAS. Falls nicht anders angegeben, sind alle genannten Personen in Korbach geboren und gestorben.
[2] Vgl. (Hrsg.), Corbach in Waldeck - Führer durch Corbach und seine Umgebung, Korbach (undatiert, um 1927/28), S. 27, unter Hinweis auf einen namentlich nicht genannten "namhaften Kunstgelehrten".
[3] THOMAS (wie Anm. 1) gibt irrig das Haus Enser Straße 5 an.
[4] Bernd KRÖPELIN (Bearb.), Korbacher Urkunden - Regesten, Band 2, Stadtarchiv Korbach (Hrsg.) 2002, S. 174, Nr. 892.
[5] Helmut NICOLAI/Wilhelm HELLWIG/Ingeborg MOLDENHAUER (Bearb.), Waldeckische Wappen - Beiträge zur Familiengeschichte, Teil 3 - Wappen der waldeckischen Städte und Großgemeinden, Familienwappen und Hausmarken, Waldeckischer Geschichtsverein (Hrsg.), Arolsen 1991, S. 268-269, Nr. 357. Danach wurden 1514 Peter Lynkogel und 1576 der Schuster Thebes Leinkogel Bürger in Korbach.
[6] Hermann STEINMETZ, Die waldeckischen Beamten vom Mittelalter bis zur Zeit der Befreiungskriege, in: Geschichtsblätter für Waldeck, 61. Band (1969/70), S. 47-103 [65 ff.], Nr. 529. Bei Hilmar G. STOECKER/Friedrich HÜBEL (Bearb.), Waldeckische Ortssippenbücher, Band 51, Rhoden, Waldeckischer Geschichtsverein e.V./Magistrat Diemelstadt (Hrsg.), Korbach 1994, S. 187 f., ist ein Gideon Linnekogel jedoch nicht verzeichnet.
[7] STEINMETZ (wie Anm. 6).
[8] STEINMETZ (wie Anm. 6).
[9] Hans OSTERHOLD (Bearb.), Meine Stadt - Korbacher Bauten erzählen Stadtgeschichte, Magistrat der Stadt Korbach (Hrsg.), aktualisierte Auflage 2011, S. 18-19 [19].
[10] OSTERHOLD (wie Anm. 9).
[11] Wolfgang MEDDING (Bearb.) in: Friedrich BLEIBAUM (Hrsg.), Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Neue Folge, Dritter Band, Kreis des Eisenberges, Kassel 1939, S. 134.
[12] Werner MEYER-BARKHAUSEN, Alte Städte zwischen Main und Weser: Corbach, Verlag H.W. Urspruch, Korbach 1923, S. 26.
[13] MEYER-BARKHAUSEN (wie Anm. 12), S. 13.
[14] Waldeckische Landes-Zeitung/Wilhelm-Bing Verlag (wie Anm. 2), S. 28. Die Datierung der Publikation ergibt sich aus verschiedenen Angaben in dem Buch. So sei das Amtsgericht in der Hagenstraße bereits fertiggestellt (S. 21) - Einweihung 24. Oktober 1928 -, während sich das Finanzamt in der Schulstraße noch im Bau befinde (S. 21) - Baubeginn September 1927. Die Professor-Kümmell-Straße heißt noch "Landstraße" (S. 12 u.a.) - Umbenennung 1929, etc.