Der silberne Altar von Schaaken (Sage)

"Der silberne Altar von Schaaken" ist eine Sage aus dem Fürstentum Waldeck.

Inhalt

Die Erzählung wurde von Marie Schmalz aufgezeichnet und 1913 in dem Buch "Sagen aus der waldeckischen Heimat" veröffentlicht. Der Wortlaut der Sage nach Marie Schmalz lautet wie folgt: [1]

"Zwischen Immighausen und Itter ist eine Gegend, die "auf dem Rosengarten" heißt. Hier stand vor vielen Jahren ein Schloß. Es gehörte einem Raubritter, dem nichts heilig war.
In die Kirche von Schaaken hatte einstmals der Besitzer des Silberbergwerkes zu Goddelsheim, als eine außergewöhnlich große Ausbeute von Silber stattgefunden hatte, einen kleinen silbernen Altar gestiftet. In Nacht und Nebel brach der Raubritter vom Rosengarten in die Kirche ein und nahm den silbernen Altar mit. Nonnen beobachteten den Raub, wagten aber nicht sich zu rühren, da der Ritter ein Wolfsfell umgelegt hatte und sie ihn deshalb für den leibhaftigen Teufel hielten. Der Ritter wurde jedoch des Raubes nicht froh.
Böse Träume ängstigten ihn so, daß er zur Nachtzeit den kostbaren Altar in einen nahen See versenkte. Bald danach besuchte er seinen Busenfreund, den Herrn von Reckenberg. Auf dem Heimwege zwischen Schaaken und Immighausen scheuten die Pferde seines Wagens und gingen durch. Der Ritter wurde aus dem Wagen geschleudert, fiel gegen einen Baumstamm und lag tödlich verletzt am Boden. Da er den Tod nahen fühlte, schickte er rasch seinen Diener, der sich durch Abspringen gerettet hatte, nach Hause, um seine Tochter zu holen. Als diese kam, mußte sie ihrem sterbenden Vater versprechen, den Altar wieder an seine Stelle zu schaffen, sonst werde er keine Ruhe im Grabe finden. Die Tochter versprachs, aber sie hielt nicht Wort. Als sie von dem Schatze hörte, erwachte die Habgier in ihr, und sie ließ den Altar in dem See liegen in der Hoffnung, bei guter Gelegenheit einen hohen Erlös daraus zu gewinnen. Inzwischen war die Pest ins Land gekommen. In wenigen Tagen wurde das Ritterfräulein von der Seuche dahingerafft.
Aber Ruhe im Grabe haben weder Vater noch Tochter gefunden. Der Ritter soll als Werwolf zwischen Schaaken und Immighausen umgehen. Von der Tochter erzählt die Sage, in mondhellen Nächten könne man sie an der Imme hinauf und hinunter springen sehen, wie sie einen großen leuchtenden Gegenstand, nämlich den silbernen Altar, durch den Bach zu tragen versucht. Aber die Geister können nicht über das Wasser kommen, und deshalb muß sie sich in alle Ewigkeiten umsonst abmühen.
Der weiße See ist zugeworfen und ist heute Ackerland, das aber immer noch 'Weißer See' heißt."

Hintergrund

Zwischen Immighausen und Thalitter liegt tatsächlich eine Flur namens "Rosengarten". Hier wurde ab Anfang des 18. Jahrhunderts intensiv Kupfer abgebaut. Reste der Zeche sind heute noch zu besichtigen. Von einem Schloß oder einer Schloßruine an dieser Stelle ist jedoch nichts überliefert. Unweit der Zeche, nur wenige hundert Meter entfernt, stand jedoch die Itterburg, mitunter auch Schloß Itter genannt. Ferner ist zutreffend, daß in Goddelsheim Silber abgebaut wurde. Einen realen Hintergrund hat auch die genannte "Kirche von Schaaken", die mit dem Kloster Schaaken gleichzusetzen sein dürfte. Des Raubritters Busenfreund, der Herr von Reckenberg, wird man im Tal der Orke, auf dem heutigen - in dieser Form allerdings erst ab 1671 errichteten - erstmals 1350 genannten Schloß Reckenberg verorten können. Auch die Beschreibung des Rückweges von Schloß Reckenberg zum "Rosengarten" - etwa 9 km - vorbei an Kloster Schaaken und Immighausen, ist plausibel. Schließlich kann auch dem Hinweis auf den "Weißen See", in dem der Altar versenkt worden sein soll, ein realer Bezug nicht abgesprochen werden: zwischen Immighausen und Niederense ist eine Feldflur namens "Auf der Weissen See" ("die witte sei") bekannt.

Im Hinblick auf die tatsächlichen Hintergründe dürfte die Sage im 14. oder 15. Jahrhundert spielen.

Anmerkungen

[1] Marie SCHMALZ, Sagen aus der waldeckischen Heimat, gesammelt und erzählt von Marie Schmalz zu Corbach, durchgesehen und mit einem Geleitwort verstehen von Alexander Copper zu Corbach, Korbach 1913, S. 15-17.